Kunsthistorische Einordnung

Leo Grewenig zählt zu den bemerkenswertesten und in seinem Schaffen vielseitigsten Künstlern des Südwestens. Ausgebildet am Bauhaus, reüssiert er in den späten 1920er Jahren zunächst mit einer scheinbar naiven, tatsächlich überaus delikaten und raffinierten figürlichen Malerei, mit der er eine Alternative sowohl zur abstrakten bzw. konstruktivistischen Kunst als auch zur Neuen Sachlichkeit formuliert – den dominierenden Tendenzen jener Zeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg dann beschreitet er seinen eigenen Weg in die Abstraktion: mit Gemälden und Arbeiten auf Papier, die das Auge in eine eigene, hoch komplexe Welt organisch belebter Formen entführen. Niemals bildet Grewenig in diesen Werken die Natur ab. Umso eindringlicher gelingt es ihm, die Kräfte und Energien spürbar zu machen, die in ihr wirken. Es sind ebendiese Kräfte und Energien, die ihn als Künstler unablässig angetrieben haben: über einen Zeitraum von immerhin sieben Jahrzehnten.

Dr. Roland Mönig
Direktor Von der Heydt-Museum Wuppertal

Die Strukturen scheinen gleich einem Naturvorgang auf dem Blatt gewachsen. Auf den präparierten Untergrund wurde Tusche gegeben und sich, in einem vorgegebenen Rahmen, selbst überlassen. Ihre Auswüchse sind teilweise mit dunkleren gezeichneten Umrandungen eingefangen bzw. definiert. Der Titel unterstützt die Vorstellung eines natürlich gewachsenen Bildes. Der Begriff „Vegetabilien" für Pflanzen leitet sich vom Iateinischen „vegetare",„wachsen", ab, was sich in Grewenigs Zeichnung wiederfindet: Aus mehreren Tintenklecksen haben sich ausbreitende Strukturen entwickelt. Mit dem Adjektiv „versteinert" wird verdeutlicht, dass der Prozess abgeschlossen und nunmehr unveränderbar ist, wobei die graue Farbigkeit der Tusche hier auch an Gestein erinnern kann.

Dr. Mechthild Haas, Leiterin der Graphischen Sammlung 
Hessisches Landesmuseum Darmstadt

"Versteinerte Vegetabilien", Tuschzeichnung, 1954

Die Bilder von Leo Grewenig sind Analogien zur inneren Struktur von Naturvorgängen. Sie zeigen Formverwandlungen, Formverbindungen und Formbewegungen, denen der Maler Leo Grewenig eine Lebendigkeit verleiht, der man als Betrachter lange nachspüren kann. 

Erich Henrich, 1. Vorsitzender der Kulturinitiative Leo Grewenig e.V.